VITA – Reiner Schwarz
Nach Flucht und Ausweisung aus Schlesien verbrachte Reiner Schwarz den Rest der Kindheit in einem Dorf in der Nähe von Hannover, die wesentliche Schulzeit dann in Hannover. 1960 wechselte er nach Berlin, wo er ein Studium an der Staatlichen Hochschule für Bildende Künste bei dem Surrealisten Mac Zimmermann aufnahm.
Schwarz sog seine Wahlheimat Berlin in sich auf, die damals unverstellt die zurückliegende Zeit mit ihren Zerstörungen und Neuanfängen zeigte. Entsprechend surreal waren die Arbeiten, die 1964 in seiner ersten Einzelausstellung in der Galerie Schnoor in Bremen präsentiert wurden. Die Kritik in Bremen bescheinigte ihm eine eigene Sicht der Dinge, eine eigene Bildsprache, die sich aus der genauen Beobachtung der Umwelt speist. Sein Ziel, freier Maler, Grafiker oder Zeichner zu werden, erschien ihm in der damaligen gesellschaftlichen Situation nur über den Umweg als Kunsterzieher erreichbar. Der frühe Kontakt mit Fischer Fine Arts in London und dem jungen Galeristen Brusberg in Hannover (später auch Berlin) ermöglichte ihm, nach dem 2. Staatsexamen auf den Schuldienst zu verzichten. Die Galerie Brusberg vertrat über 20 Jahre das gesamte Werk Reiner Schwarz’, dokumentiert mit dem Werkverzeichnis der Lithografien von 1984. Mehrere große Ausstellungen, so im Kunstverein Mannheim, dem Museum Ostdeutsche Galerie Regensburg (Retrospektive der Bilder und der Lithografien), in der Galerie Brusberg in Hannover und in Berlin am Kurfürstendamm begleiteten diese Schaffensphase, in der im Mittelpunkt jedes Bildes das menschliche Antlitz als Spiegel der Gefühle, der Freude und der Angst, der Verletzung durch die Unzulänglichkeiten und Härten dieser Welt stand. „Menschenmaler“ nannte ihn auch die Kritik.
1987 gab es eine wegweisende Arbeitsbegegnung mit Rolf Münzner (Geithain) und Peter Schnürpel (Altenburg) in der Druckwerkstatt Kätelhön. 1988 begann Schwarz, realistisch auf großformatigen Packpapieren aus der DDR zu zeichnen. Über die Qualität dieser DDR-Packpapiere urteilt der Chefrestaurator der Staatlichen Museen zu Berlin, Preußischer Kulturbesitz: „Sie sind ein Naturprodukt, dunkeln leicht nach, sind aber völlig unbedenklich im konservatorischen Sinne.“ Von diesen Packpapieren, auf denen Reiner Schwarz bis heute arbeitet, ist der Mensch verschwunden. Man erlebt Stillleben, Gegenstände des täglichen Gebrauchs und eben menschenleere Räume – aber „… es sind Räume, in denen die Menschen gelebt haben, ihre Spuren hinterließen und die Räume prägten. Die Gegenstände wurden im Gebrauch durch Menschen selbst zu Individuen, sie tragen die Erinnerung an diese Menschen in sich. Mein Respekt gilt den Gegenständen und den Menschen, die ich nicht kannte und die ich nicht darstelle, die diesen Gegenständen aber Leben gaben.“ Der Kunstwissenschaftler Prof. Dr. Helmut Börsch-Supan schrieb zu diesen Zeichnungen: „Reiner Schwarz zeigt den Blick auf die Wirklichkeit, aus der der Mensch verbannt ist und nur das zu sehen ist, was er angerichtet hat … Seine Botschaft ist sanft, aber subversiv. Sie ist Widerstand gegen die unmenschliche Schnelligkeit der Maschine. In den Bildern wird für einen anderen Umgang mit der Zeit und damit auch mit dem Leben plädiert.“
2011 verbrachte Schwarz einen mehrmonatigen Arbeitsaufenthalt beim Verein „artbellwald.ch“ in Bellwald im Wallis
Biographische Daten
1940 | in Hirschberg/Riesengebirge geboren |
1950 | Übersiedlung nach Hannover |
1960 | Studienbeginn an der Hochschule für bildende Künste Berlin |
1961- 1964 | Malklasse von Mac Zimmermann Anfangsgründe der Lithografie |
1962 | Studienreise nach Venedig und Florenz, Studium der italienischen Malerei, vor allem der Sienesen und Manieristen |
1964 | Erstes Staatsexamen und Studienreise nach Rom |
1965 | Meisterschüler |
1968 | arbeitet seitdem als freier Maler und Grafiker in Berlin |
1971- 1991 | Vertretung durch die Galerie Brusberg in Hannover und Berlin für das gesamte Werk |
1974 | Einrichtung einer eigenen Druckwerkstatt für Lithografie |
1977 | 2. Senefelder-Preis für Lithografie in Offenbach |
1972+ 1976 | Medaillen der Internationalen Grafikbiennale Frechen |
1979 | Förderpreis des Kulturpreises Schlesien des Landes Niedersachsen |
1984 | Werkkatalog der Lithografien im Verlag der Galerie Brusberg Berlin |
1987 | Arbeitsaufenthalt mit Rolf Münzner und Peter Schnürpel in der Druckwerkstatt Kätelhön |
1988 | Beginn der großformatigen Zeichnungen auf Packpapier |
1996 | Preis der 1. Internationalen Lithografie-Biennale der Ostseeländer, Nidzica |
2011 | Arbeitsaufenthalt bei artbellwald, Schweiz von mehreren Monaten |